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Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ)

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Forschung


Von welchen Problemen gehen wir aus?

Die Mehrheit der Bevölkerung hat ein hohes Umweltbewusstsein und ist der Meinung, dass "etwas getan werden muss" zum Schutz der natürlichen Umwelt. Trotzdem schreitet die Umweltzerstörung scheinbar unaufhaltbar voran, werden weiterhin natürliche Ressourcen verschwendet, werden umwelt- und ressourcenschonende Produkte nicht gekauft und neue Technologien nicht eingesetzt oder gar nicht entwickelt. Weshalb ist das so? Was hindert Einzelpersonen, Unternehmen, Behörden daran, ihr Handeln zu verändern, was hindert unsere Gesellschaft daran, eine nachhaltige Gesellschaft zu werden? Die meisten Menschen wissen zwar, dass sie etwas tun wollen und sollen, wissen aber nicht, was sie tun sollen, und wie sie dies tun können. Für Behörden, private Organisationen und Institutionen wiederum stellt sich die Frage, wie Einzelpersonen, Unternehmen, Institutionen dazu gebracht werden können, sich umweltverantwortlich zu verhalten. Welche Strategie sollen sie verfolgen, welche Instrumente einsetzen, welche Massnahmen ergreifen? Eine Informationskampagne finanzieren, Lenkungsabgaben einführen, Wohnstrassen einrichten, umweltfreundliche Technologien subventionieren? Welche Massnahmen sind am wirksamsten und was ist die beste Kombination von Massnahmen?

Die Ziele unserer Forschung

Unser Ziel ist es, zu einer nachhaltigen Entwicklung der Schweizer Gemeinden beizutragen. Was wir nicht wollen: Den Gemeinden Vorschriften machen, in welche Richtung sie zu gehen haben. Wir wollen für Gemeinden mit ihren verschiedenen Akteuren (wie z.B. Individuen, Behörden, Unternehmen, Bürgerorganisationen, Schulen) Wissen darüber zur Verfügung stellen, welche Massnahmen welche Wirkungen haben, damit sie diejenigen Massnahmen ergreifen können, die zu dem Ziel führen, das eine Gemeinde erreichen will. Ebenso soll den Gemeinden das Know-How zur Verfügung gestellt werden für einen optimalen Einsatz und eine optimale Kombination von Massnahmen für eine nachhaltige Entwicklung, eine Art "Strategie-Bausatz". Deshalb wollen wir

  • das Zusammenwirken von Massnahmen, mit denen Handlungsspielräume erweitert und Hindernisse abgebaut werden sollen, konzipieren, evaluieren und optimieren.
  • erreichbare ökologische Effekte in ausgewählten Bereichen abschätzen.
  • diejenigen wissenschaftlichen Grundlagen verbessern, die notwendig sind für die Konzeption einzelner Massnahmen.
  • die Umsetzung von Massnahmen und ihre Auswirkungen empirisch überprüfen.

Die Fragen, die bearbeitet werden

Aus den dargelegten Problemen und Zielen ergeben sich für uns folgende wissenschaftliche Fragen, die wir untersuchen wollen:

  • Welche Möglichkeiten haben staatliche und private Akteure in Gemeinden der Schweiz, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen? Welche Hindernisse bestehen dabei? Welcher Art sind diese Möglichkeiten und Hindernisse jeweils, sind sie individuell, gesellschaftlich-kulturell, wirtschaftlich, rechtlich oder politisch?
  • Wie können die festgestellten Hindernisse überwunden werden?
  • Wie zielkonform und wie wirksam sind einzelne Instrumente und Massnahmen?
  • Wie wirken verschiedene Massnahmen und Instrumente zusammen, und wie kann dieses Zusammenwirken optimiert werden?

Unsere Zusammenarbeit mit Gemeinden

Fast alle unsere Forschungsarbeiten finden in Gemeinden statt, auch die Resultate unserer Forschungen richten sich schwergewichtig an Gemeinden und deren Akteure. Die enge Zusammenarbeit mit ausgewählten Gemeinden ist deshalb für unsere Arbeit unbedingt notwendig. Diejenigen Gemeinden, mit denen wir besonders eng zusammenarbeiten und in denen fast alle Forschungsprojekte Untersuchungen durchführen, nennen wir "Kerngemeinden", weil sie im Kern unserer Forschungen sind: Ittigen und Münsingen, beide im Kanton Bern.

Daneben gibt es noch für fast alle Forschungsprojekte weitere Gemeinden, die untersucht werden, damit die gewonnenen Daten mit denen aus den Kerngemeinden verglichen werden können.

Leitung und Management des Integrierten Projekts (Organigramm)

Die Leitung des IP (Prof. Ruth Kaufmann-Hayoz) ist insbesondere verantwortlich für den Prozess der Synthesebildung innerhalb des IP und für die Verbreitung der Fragestellungen und Resultate des IP an die Öffentlichkeit. Das Management des IP (lic. phil. hist. Antonietta Di Giulio; Fürsprecher Rico Defila) unterstützt die IP-Leitung. Dazu gehören nebst dem operativen Management des IP insbesondere Konzeption und Umsetzung von Massnahmen und Instrumenten zur Unterstützung der Konsens- und Synthesebildung sowie der Diffusion.

Unsere Ergebnisse - Schlussbericht

Ausgangspunkt des Integrierten Projekts (IP) war die Frage: Wie können die verschiedenen Akteure der Gesellschaft veranlasst oder darin unterstützt werden, im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung umweltverantwortlich zu handeln? Das IP fokussierte dabei auf die lokale Ebene, also auf die Instrumente, die Akteuren auf der Ebene der Gemeinden und Kantone zur Verfügung stehen, um solches Handeln zu fördern. Begleitend zu den Forschungsarbeiten in den Teilprojekten (TP) fand von Beginn an eine intensive Synthesearbeit statt. Diese konzentrierte sich auf die Entwicklung einer Instrumenten-Typologie, die es erlauben würde, einerseits die Instrumente umfassend und adäquat darzustellen und andererseits die Forschungsergebnisse aus den Teilprojekten in ihrem Zusammenhang darzustellen und für die Akteure in der Praxis - insbesondere im Hinblick auf die Bildung von Politik-Strategien zu Gunsten einer nachhaltigen Entwicklung - nutzbar zu machen.

Die Typologie sollte

  1. alle politischen Möglichkeiten enthalten, das umweltrelevante Verhalten von Menschen zu beeinflussen;
  2. akteur-orientiert sein, d.h. sie sollte sowohl sichtbar machen, welchen Akteuren die dargestellten Instrumente zur Verfügung stehen, als auch, in welcher Weise und aufgrund welcher "Mechanismen" das Verhalten der Zielgruppe(n) durch ihren Einsatz beeinflusst wird;
  3. keiner einzelnen disziplinären Systematik oder Theorie verhaftet sein;
  4. übersichtlich sein und die Instrumente so unterscheiden und beschreiben, dass sie nach Kriterien der Praxis evaluiert werden können, nämlich: Wie wirksam ist das Instrument? Was kostet es? Welches ist seine Akzeptanz?

Die vorgeschlagene Typologie enthält die klassischen, in der Literatur ausführlich behandelten umweltpolitischen Instrumente (Gebote/Verbote, marktwirtschaftliche Instrumente, z.T. Infrastrukturinstrumente), stellt aber auch "neue" (oder sog. "weiche") Instrumente, die oft nur sehr summarisch behandelt werden, systematisch und detailliert dar (Tabelle 1 (pdf)). Sie unterscheidet sich ausserdem von gängigen Einteilungen dadurch, dass alle Instrumente auch aus der Perspektive der Zielgruppe, deren Verhalten beeinflusst werden soll, beschrieben werden, das heisst, entsprechend dem psychologischen Wirkungsmechanismus, auf dem sie beruhen.

Dies war nur möglich, indem der Synthesearbeit ein gemeinsames Modell menschlichen Handelns zugrunde gelegt wurde (gemeinsame theoretische Basis). Dieses Modell ist in Abbildung 1 (pdf) vereinfacht dargestellt. Gemäss diesem Modell wird menschliches Handeln aufgefasst als Prozess, der im ständigen Austausch zwischen der Innenstruktur des Akteurs und seinem Handlungsumfeld (der Aussenstruktur) stattfindet. Ist der Akteur ein Individuum, besteht seine Innenstruktur aus der Gesamtheit der psycho-physiologischen Faktoren und Prozesse; ist der Akteur hingegen eine Organisation (z.B. ein Unternehmen), besteht sie aus der Gesamtheit der organisationalen Faktoren und Prozesse. Aus seiner Innenstruktur heraus bildet der Akteur Handlungsabsichten, die - grob vereinfacht ausgedrückt - bestimmt sind durch seine Ziele und seine Realitätswahrnehmung. Die Aussenstruktur besteht aus der Gesamtheit der natürlichen und kulturellen Faktoren und Prozesse, aus denen für den Akteur Optionen und Restriktionen resultieren, gewissermassen die "Landschaft" seiner objektiven Handlungsmöglichkeiten. Es können - wiederum grob vereinfacht ausgedrückt - analytisch vier Aspekte des Handlungsumfeldes unterschieden werden, die diese Optionen und Restriktionen bestimmen: (1) das physische Handlungsumfeld, bestehend aus der natürlichen Umwelt und den menschgemachten Gegenständen und Infrastrukturen; (2) das sozio-kulturelle Handlungsumfeld, welches die kulturell verankerten Weltsichten, Wertsysteme und Arten der Wissensproduktion und -tradierung, aber auch die Machtverhältnisse und allgemein die sozialen Beziehungen des Akteurs enthält; (3) das sozioökonomische Handlungsumfeld, das Faktoren wie Einkommen, Preise, das Spiel von Angebot und Nachfrage, wirtschaftlichen Wettbewerb, Arbeitsmarkt, Werbung etc. enthält; (4) das rechtliche und politisch-administrative Handlungsumfeld, bestehend aus der Gesamtheit rechtlicher Regelungen und den Merkmalen des politisch-administrativen Systems. Es wird weiter davon ausgegangen, dass sowohl die Innenstruktur als auch die Aussenstruktur nicht statisch sind, sondern sich ständig verändern. Ihre Entwicklung ist das Ergebnis von inhärenten Prozessen der Selbstorganisation einerseits und der Interaktion - durch Handlung und Wahrnehmung - zwischen Akteur und Umgebung andererseits.

Abbildung 1 (pdf) stellt ebenfalls dar, welches - bezogen auf dieses Modell menschlichen Handelns - die primären Angriffspunkte der verschiedenen Instrumententypen sind. Zielt ein Instrumententyp primär auf eine Veränderung der Innenstruktur der Akteure, also ihrer Ziele und ihrer Entscheidungen darüber, wie sie diese Ziele erreichen wollen? Oder zielt er primär auf eine Veränderung der Aussenstruktur, also der physischen, sozio-kulturellen, sozio-ökonomischen oder rechtlich-administrativen Aspekte des Handlungsumfelds? Gebote/Verbote, marktwirtschaftliche Instrumente sowie Service- und Infrastrukturinstrumente zielen primär auf die Veränderung bestimmter Aspekte der Aussenstruktur. Die meisten Gebote und Verbote sowie viele Service- und Infrastrukturinstrumente beeinflussen die Handlungsspielräume der Akteure ganz direkt, indem sie bestimmte Handlungen erzwingen oder ausschliessen, während marktwirtschaftliche Instrumente sowie einige Service- und Infrastrukturinstrumente umweltfreundliche Handlungsalternativen attraktiver und umweltschädliche weniger attraktiv machen. Im Gegensatz dazu zielen Kommunikationsinstrumente auf eine Veränderung der Innenstruktur der Akteure, indem durch die Gestaltung und Anregung von Kommunikations- und Reflexionsprozessen die Ziele der Akteure (beruhend auf ihren Werten und auf ihrem Wissen) und ihre Art, die Realität wahrzunehmen, beeinflusst wird. Beim Instrumententyp der Vereinbarungen sind die beteiligten Akteure immer Organisationen und Institutionen (Unternehmen, Behörden, NGOs). Die Vereinbarungen zwischen Wirtschaft und Staat zielen wie Gebote/Verbote und marktwirtschaftliche Instrumente primär auf eine Veränderung des rechtlichen und des sozio-ökonomischen Handlungsumfeldes speziell der Wirtschaft ab, während durch Zertifizierungen und Labels eher die interne Organisation von Unternehmen beeinflusst wird.

Es sind hier nur die primären Angriffspunkte der Instrumente dargestellt. Gemäss dem oben skizzierten Handlungsmodell haben Veränderungen, die in der Innen- oder der Aussenstruktur eintreten, eine Reihe von sekundären Wirkungen, da die Akteure auf die Veränderungen reagieren und sich daran anpassen. Für die Auswahl von Instrumenten im Rahmen einer Strategiebildung sind selbstverständlich nicht nur die primären, sondern auch die sekundären Wirkungen zu beachten. Die Ergebnisse der Synthesearbeit im Integrierten Projekt werden im Frühjahr 2001 in einem Themenheft des SPP Umwelt publiziert werden. Sie sind zugleich auch die Grundlage für die Arbeit im Umsetzungsprojekt "Netzwerk nachhaltige Entwicklung in Gemeinden" des Integrierten Projekts.

Poster1 und Poster2 (präsentiert am Abschlussanlass des IP)

Synthesepublikationen

Kaufmann-Hayoz R., Gutscher H. (Eds.) 2001:
Changing things - moving people. Strategies for promoting sustainable development at th local level. Basel: Birkhäuser.

Ergebnisse der Teilprojekte

In den Teilprojekten wurden zum einen ausgewählte marktwirtschaftliche Instrumente, ihr Verhältnis zu andern Instrumententypen und ihre Beurteilung durch die politische Elite der Schweiz untersucht (TP Garbely, Ecoplan und Kriesi), zum anderen wurden Grundlagen und Fallstudien zu Vereinbarungen, Kommunikationsinstrumenten sowie Service- und Infrastrukturinstrumenten und deren Verhältnis zu klassischen Instrumenten erarbeitet (TP IKF, Kaufmann, Gutscher, Interface, Infras).

 

Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) der Universität Bern (1988-2013)
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