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Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ)

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Publikationen

Schriftenreihe "Studentische Arbeiten an der IKAÖ"

Nr. 16 - Der Wolf - Wildtier oder wildes Tier?

Eine Deutungsmusteranalyse in der Schweizer Bevölkerung

Urban Caluori
Mai 2000

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Seit Mitte der 90er Jahre wandern Wölfe in die Schweiz ein. Diese Tatsache stösst in Teilen der Schweizer Bevölkerung auf erbitterten Widerstand, in anderen auf Wohlwollen. Die Gründe für diese unterschiedlichen Reaktionen wurden in der Schweiz bis anhin nicht wissen-schaftlich untersucht. Ziel dieser Studie war deshalb eine Bestandsaufnahme der subjektiven Wolfsdeutungen in der Schweizer Bevölkerung. Der vorliegenden Arbeit liegt die Prämisse zugrunde, wonach die Akzeptanz in der Schweizer Bevölkerung für das Überleben des Wol-fes in der Schweiz entscheidend sein wird. In Sinne dieser Prämisse sollten als übergeordnete Zielsetzung mögliche Strategien zur Akzeptanzförderung des Wolfes aufgezeigt werden. Für die Bestandsaufnahme der Wolfsdeutungen wurden Leitfadeninterviews mit kontrolliert ausgewählten Personen durchgeführt. Die Daten wurden nach der Methodologie der objektiven Hermeneutik analysiert. Aus den Einzelfällen liess sich eine Idealtypologie ableiten. Die unterschiedenen drei Idealtypen (mit drei Ausprägungen) stilisieren den Wolf in einer für sie charakteristischen Weise zu einem Mythos:

  • Der moderne Wolfsgegner (der Bäuerliche, der Moralisierende, der Pragmatische) Der Wolf ist ein Symbol für die negativ konnotierte Wildnis. Diese Wildnis steht der gezähten inneren Natur, also der Moral, und der gezähmten äusseren Natur entgegen. Die Wildnis steht im übertragenen Sinne von Wildwuchs aber auch der wirtschaftlichen Sicherheit und politischen Stabilität der Schweiz entgegen. Der Wolf repräsentiert damit das Unzivilisierte, das Wilde und Barbarische, das - wie vieles andere - in die Schweiz einzudringen droht.

  • Der postmoderne Wolfsfreund: Der Wolf symbolisiert die positiv konnotierte Wildnis. Er repräsentiert Kraft, Stärke, Selbst-behauptung, Veränderung und den Widerstand gegen die Umweltzerstörung und die Entmys-tifizierung der Natur.

  • Der ambivalente (scheinbare?) Wolfsfreund Der ambivalente Wolfsfreund stilisiert den Wolf zum positiv bewerteten, janusköpfigen Sym-bol, in dem sowohl das gesellschaftlich konforme Sozialverhalten in der Rolle des Rudeltiers, als auch die Durchsetzungsfähigkeit des Individuums als Einzeltier seinen Ausdruck findet. Dieses Symbol steht für seinen eigenen Konflikt zwischen Individualismus und Konformismus mit dem gesellschaftlichen Normenkomplex. Es besteht Grund zur Vermutung, dass seine Haltung labil ist und bei einer konkreten Anwesenheit des Wolfes in Ablehnung umschlagen kann. Möglicherweise kann die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung diesem Typus zugeordnet werden. Diese Vermutung könnte den hohen Anteil an WolfsbefürworterInnen in den kürzlich gemachten standardisierten Umfragen und den Widerstand bei der konkreten Präsenz des Wolfes erklären.

Die unterschiedlichen Wolfsbilder sind im Sinne von Einstellungen - sinnhaft und sinnvoll -in Wertvorstellungen der Schweizer Bevölkerung eingebettet. Sofern sich die politischen Ent-scheidungsträgerInnen für eine Förderung der Akzeptanz des Wolfes entscheiden sollten, empfiehlt sich, ein Top-Down-Verhältnis zwischen Behörden und betroffener Bevölkerung zu vermeiden, die Massnahmen zum Schutz des Kleinviehs in Zusammenarbeit mit den Be-troffenen weiter zu entwickeln, aktiv Vertrauen in die Behörden zu schaffen, offen und offen-siv zu informieren sowie bei der Öffentlichkeitsarbeit das Schwergewicht auf die persönliche Kommunikation zu setzen.


Diese Arbeit kann über den Buchhandel oder bei der Bibliothek Nachhaltige Entwicklung bestellt werden.

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