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Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ)

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Publikationen

Schriftenreihe "Studentische Arbeiten an der IKAÖ"

Nr. 18 - Menschliches Versagen im Kontext individuellen umweltverantwortlichen Handelns

Urs Wittwer
Mai 2000


Im Rahmen des SNF-Projekts "Veränderungshindernisse" wurde an der Interfakultären Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie der Universität Bern (IKAÖ) untersucht, welche Handlungserfahrungen Menschen machen, wenn sie versuchen sich ökologisch zu verhalten, und insbesondere auf welche Hindernisse sie dabei stossen. Auf theoretischer Ebene wurden dazu mit Hilfe von sogenannten Schlüsselkonzepten die handlungstheoretisch relevanten Grundlagen erarbeitet. Ziel der hier vorliegenden Arbeit ist die Aufarbeitung eines einzelnen Schlüsselkonzeptes, nämlich desjenigen des Menschlichen Versagens (MV). Sowohl ein Grossteil der heutigen Umweltprobleme wie auch ökologisch relevante Handlungen selbst sind meistens in komplizierte, komplexe und undurchschaubare Situationen eingebettet; unzählige Einflussfaktoren erschweren oder verunmöglichen es dabei dem Individuum, solche Situationen und Handlungsumstände genau zu Erfassen und damit die Folgen seines Tuns zu antizipieren und diese wiederum in eine den gegebenen Umständen angepasste und erfolgreiche Handlungsorganisation einfliessen zu lassen. In der Umweltproblematik wird dieser Umstand durch die oftmals zeitlich verzögerten, lokal verschobenen oder schlicht gar nicht wahrnehmbaren Handlungsfolgen besonders offensichtlich. Soll der Laie nun z.B. beurteilen, welche Umweltprobleme die dringendsten sind und welche ökologischen Handlungen Abhilfe schaffen könnten, ist dieser u.U. kognitiv überfordert. Es stellt sich damit die zentrale Frage, auf welche Art und Weise Menschen in komplexen Situationen agieren, wie adäquat solche Systeme wahrgenommen werden und welchen Einfluss dies auf die Handlungssteuerung hat. Damit soll im gegebenen Kontext ausgesagt werden können, unter welchen Voraussetzungen ökologisch motivierte Handlungen gelingen oder eben scheitern können. Der Begriff MV ist damit in einen fehlertheoretischen Rahmen gefasst, in welchem die kognitiv orientierten Ansätze von Dietrich Dörner und James Reason näher betrachtet und hinsichtlich ihrer Relevanz für bzw. ihrer Übertragbarkeit auf ökologisch bedeutsame Fragestellungen untersucht werden. Dabei zeigt sich, dass sich diese Ansätze nur bedingt zur Erklärung unökologischer Handlungen verwenden lassen; dies liegt einerseits am relativ engen fehlertheoretischen Fokus sowie bestimmten Schwächen und Unklarheiten der Theorien selbst, andererseits beziehen sich viele Aspekte der Theorien auf Situationen und Handlungen in institutionellen und organisationellen Kontexten, welche nicht den in diesem Projekt zentralen ökologisch bedeutenden Alltagshandlungen entsprechen; es wird deshalb angenommen, dass diese theoretischen Ansätze unter Umständen auf der Ebene institutioneller, organisationeller Planungs- und Handlungsprozesse gewinnbringender angewendet werden könnten. Auf empirischer Ebene zeigte die explorative Methode der Zukunftswerkstatt denn auch übereinstimmend mit den gemachten Hypothesen, dass ökologisch hoch motivierte Menschen, nämlich solche, die am Selbstmodifikationsprogramm des Global Action Plan (GAP) teilnehmen, kaum Fehlhandlungen begehen; es stellte sich aber auch heraus, dass aufgrund komplexer Situationsmerkmale notwendiges ökologisches Handlungswissen oftmals nur schwer oder gar nicht zu erlangen ist, wodurch eine gelingende Handlungssteuerung durch Unsicherheit und wahrgenommene Unbestimmtheit auf Seiten des Individuums zumindest gefährdet ist. Ebenso scheinen auf individueller Ebene Tendenzen zu bestehen, die ökologische Relevanz eigener Handlungen (bzw. deren Folgen und Nebenfolgen) systematisch zu unterschätzen, was wiederum zu unökologischen Handlungsentscheidungen führen kann. Ausserhalb des fehlertheoretischen Fokus konnte mit der Zukunftswerkstatt weiter gezeigt werden, dass die Teilnehmenden in erster Linie auf Probleme der sozio-ökonomischen Handlungsbedingungen stossen, dass sich also ungünstige Kosten- und Anreizstrukturen selbst bei ökologisch hochmotivierten Menschen ungünstig hinsichtlich umweltrelevantem Handeln auswirken können. Auch die fehlende soziale Unterstützung wird als äusserst hinderlich und störend wahrgenommen: insbesondere wird sowohl die Relevanz des eigenen ökologischen Beitrages zu einer umweltfreundlicheren Welt, wie auch das eigene soziale Ansehen angezweifelt; allerdings scheinen die GAP-Teilnehmenden diesen Umstand nicht oder nur in geringem Mass mit in die Handlungssteuerung einzubeziehen, was auf die Besonderheit dieser Untersuchungsgruppe hinweist. Lösungs- und Überwindungsmöglichkeiten sehen die Untersuchungspersonen in vielen verschiedenen Bereichen, wobei auffällt, dass einerseits ein Schwergewicht auf das zur Verfügung stellen, auf die Vermittlung und adäquate Nutzung von ökologisch relevantem Wissen gelegt wird, während andererseits sehr deutlich eine Umstrukturierung der heutigen Gesellschaft gefordert wird: weg von der Leistungs- und Konsumorientierung hin zu einer ruhigeren, auf anderen Werten basierenden Form des menschlichen Zusammenlebens, welche automatisch eine umweltschonendere und nachhaltigere Nutzung der Ressourcen mit sich bringen würde.


Diese Arbeit kann über den Buchhandel oder bei der Bibliothek Nachhaltige Entwicklung bestellt werden.

Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) der Universität Bern (1988-2013)
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